Tierärztlicher Bezirksverband Oberbayern
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Multiresistente Keime, Antibiotikaeinsatz - Hintergründe

MRSA - (Methicillin Resistente Staphylococcus Aureus - Erreger)

Über Jahrzehnte galten sie als Wunderwaffe bei Mensch und Tier. Urplötzlich stehen sie im Zentrum öffentlicher Diskussionen und sind höchst umstritten: Die Antibiotika. In populärwissenschaftlicher und populistischer Art und Weise wird von ihrem unsachgemäßen Einsatz in der Tierhaltung berichtet. Schnell werden auch Schuldige an den Pranger gestellt, Tierärzte und Landwirte. Es steigert natürlich des Lesers Aufmerksamkeit, wenn Althergebrachtes oder Selbstverständliches, wie gerade der alltägliche Nahrungsmittelverzehr, durch scheinbar unverantwortliches Handeln schlagartig als Zerrbild in der öffentlichen Diskussion steht. Oberflächlich betrachtet erscheint natürlich einiges obskur und klärungsbedürftig. Diese Klärung darf jedoch nicht ausschließlich auf das Tätigkeitsfeld Tierarzt und Landwirtschaft fokussiert sein. Dazu ist das Thema Antibiotika und Resistenzen zu komplex. Kausal hängen z. B. Billigmärkte, Verdrängungswettbewerb, Verbraucherverhalten und die damit verbundenen wirtschaftlichen Zwänge für Landwirte und der Antibiotikaeinsatz am Tier zusammen. Schlagzeilen wie, Massentierhaltung, industrielle Tierhaltung, Autobahnerszene oder unverhältnismäßiger Antibiotikaeinsatz im Masttierbereich bauen einen immensen öffentlichen Druck für die Politik auf. Der endet fast regelmäßig in hastigem Aktionismus, bzw. nur halb durchdachten Gesetzesvorlagen. Die eigentlichen Ursachen bleiben jedoch weiterhin unangetastet im Nahrungsmitteldschungel. Und hier zeigt sich, dass wir es nicht allein mit einem äußerst komplexen, sondern auch gleichermaßen gesellschaftspolitischen Geschehen zu tun haben. Die Tendenz des Verbrauchers zu billigen Lebensmitteln ist nur ein Teil dieses Geschehens. Gefordert sind hier in ganz besonderem Maße die Lebensmittelindustrie, speziell die Discounter. Ein nicht zu übersehender Verdrängungswettbewerb mit immer billigeren Lebensmittelpreisen drückt die Landwirtschaft ökonomisch buchstäblich an die Wand. Um in der Tiermast konkurrenzfähig zu bleiben und wirtschaftlich zu überleben, bedarf es deshalb immer größerer Betriebe, die in der sog. "Massentierhaltung" mit all den bekannten Folgen enden. Diese sind unter anderem, dichter Tierbesatz bei immer größeren Tierzahlen und immer höherem Infektionsdruck. Um die betriebliche Existenz zu sichern, dürfen nahezu keine Tierverluste auftreten und dies ist ohne antibiotischen Einsatz nur schwer zu erreichen. Metaphylaktisch (hohes Krankheitsrisiko) ist der Antibiotikaeinsatz legal und aus Gründen des Tierschutzes erforderlich. Erschwerend kommt hinzu, dass bei einer hohen Besatzdichte vermehrt immunitätsbelastende und krankheitsfördernde Situationen entstehen können. Jedes erkrankte Tier hat aber das Recht auf Heilung. Genau hier beginnt die Gratwanderung, denn Antibiotika dürfen nicht eingesetzt werden, um einen Betrieb auf Dauer wirtschaftlich lohnend am Laufen zu halten. Ist dies der Fall, so muss dessen Sinnhaftigkeit hinterfragt werden. Diese Tatsache zu ändern, sind zu gleichen Teilen Lebensmittelhandel wie auch Verbraucher gefordert. Nur über höhere Lebensmittelpreise könnten die in der Kritik stehenden sog. "industriell" geführten Betriebe den Tierschutz weiter verbessern und endlich wirtschaftlich rentabel existieren. Die bessere Rentabilität ermöglichte es außerdem die kostenintensiven hygienischen Verhältnisse wesentlich zu verbessern und damit die Tiergesundheit bei deutlich geringerem Antibiotikaeinsatz zu steigern. Die Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Tierhaltung und ein verändertes Kaufverhalten ist wohl langsam reif. Durch die katastrophale "Geiz ist Geil-Mentalität" von uns Verbrauchern tragen wir einen gewissen Teil Mitschuld an den Schwierigkeiten der Landwirte und stehen somit letztendlich auch in der Mit-Verantwortung bei der MRSA-Problematik. Wir müssen endlich begreifen, dass Lebensmitteln die ihnen zustehende Wertigkeit benötigen. Wir Verbraucher haben die Macht den Billigdiscountern die Stirn zu bieten und neue Wege im Kaufverhalten einzuschlagen. Und ein wenig mehr an Fleischverzicht fördert unsere Gesundheit und stärkt die kleinen bäuerlichen Betriebe! Ach ja, da wäre noch etwas. Lassen wir die Humanmediziner auch Ihren Anteil an der Resistenzproblematik haben.

Dr. Paul Münsterer

1. Vors. Tierärztlicher Bezirksverband OBB
1. Vizepräsident Bayerische Landestierärztekammer


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